PG Gemeinsam unterwegs

Die Geburt von Jesus Christus - warum erzählt die Bibel zwei verschiedene Weihnachtsgeschichten?

Eine Spurensuche, zusammengestellt von Gemeindereferentin Yvonne Faatz

Lukas (Lk 2, 1-20)

Jedes Jahr feiern die Christen am Heiligen Abend und am 25. Dezember das Fest der Geburt von Jesus Christus. Im Zentrum steht das Weihnachtsevangelium, das der Evangelist Lukas aufgeschrieben hat (Lk 2, 1-20). In Krippenspielen wird es nachgespielt, in Krippenszenen dargestellt: Das Jesuskind wurde nach der Geburt in eine Futterkrippe gelegt, nachdem Maria und Josef vergeblich eine Bleibe gesucht hatten. Die beiden waren unterwegs, weil sie sich in Steuerlisten eintragen mussten. Der damalige römische Kaiser Augustus hatte dieses Vorgehen im Rahmen einer Volkszählung veranlasst. Laut Lukas zogen die Menschen in ihre Heimatstädte, um sich dort eintragen zu lassen. Weil Josef aus dem Haus und Geschlecht Davids stammte, zog er mit seiner Verlobten Maria nach Betlehem, dem Heimatort der Nachkommen des Königs David.

 Zur gleichen Zeit hielten Hirten Nachtwache auf den Feldern um Betlehem. Nach Lukas geschah nun etwas Besonderes: Ein Engel erschien den Hirten. Mit dem göttlichen Gruß „Fürchtet euch nicht!“ nähern sie sich den erschrockenen Hirten und geben sich als Übermittler einer Frohen Botschaft zu erkennen: Der langersehnte Messias, der Retter der Welt ist geboren. Die Engel fordern die Hirten auf, sich auf den Weg zu machen. Sie werden das Kind in Windeln gewickelt in einer Krippe finden. Nun gesellten sich viele Engel zu dem Verkündigungsengel, dessen Name uns nicht überliefert ist, und lobten Gott und wünschten den Menschen Frieden auf Erden. 

Die Hirten machten sich auf den Weg und fanden alles genauso wie verkündet. Sie sagten die Frohe Botschaft weiter und die Zuhörer und Zuhörerinnen staunten. Maria aber bewahrte alles in ihrem Herzen.

Matthäus (Mt 2, 1-23)

Bei Matthäus ist nichts von Herbergsuche, Hirten und Engel beschrieben. Matthäus beginnt seinen Bericht mit den Worten: „Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem…“ Diese Sterndeuter haben den Stern eines neugeborenen Königs aufgehen sehen und sind ihm gefolgt. Zuerst ziehen sie zum Palast des Herodes, in dem sie den neugeborenen König vermuten. Dieser erschrickt und lässt alle Schriftgelehrten herausfinden, was über diesen König gesagt worden ist. Beim Propheten Micha steht zu Beginn des fünften Kapitels: „Aber du, Betlehem-Efrata, … aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll….Er wird auftreten und ihr Hirt sein in der Kraft des Herrn…“

Herodes lässt die Sterndeuter gehen. Sie sollen herausfinden, wo der Messias geboren wurde, und ihm Bescheid geben. Die Sterndeuter finden die heilige Familie und huldigen dem Jesuskind mit ihren Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe, den Kostbarkeiten Arabiens und des Orients. Die Kirchenväter sahen in diesen Gaben ein Sinnbild des Königtums (Gold), der Gottheit (Weihrauch) und der Passion (Myrrhe). Aus der Dreizahl der Geschenke machte die Tradition später drei Personen, drei Heilige (weil sie den Heiland erkannten) und drei Könige (weil sie so wertvolle Geschenke machten).

Bei Matthäus tauchen nun auch Engel auf, und zwar im Traum:

Den Sterndeutern gebietet ein Engel im Traum, nicht zu Herodes zurückzukehren, sondern auf einem anderen Weg als über Jerusalem in ihr Land heimzuziehen.

Zudem erscheint ein Engel Josef im Traum, um ihn vor Herodes zu warnen, der dem Kind nach dem Leben trachtet. Daraufhin bricht Josef sofort in der Nacht auf und bringt Maria mit dem Kind in Sicherheit in das Nachbarland Ägypten. Es folgt der Bericht über den Kindermord und die Rückkehr der heiligen Familie nach dem Tod des Königs Herodes nach Nazareth in Galiläa.

Wo hatten Matthäus und Lukas ihre Quellen für ihre Berichte her?

Lukas und Matthäus nutzten beim Schreiben ihres Evangeliums zwei gemeinsame Quellen: das Markusevangelium, das älteste von allen vier Evangelien, und die sogenannte „Logienquelle“, über die bis heute leider nur wenig bekannt ist. Sie soll ein handschriftlicher Text in griechischer Sprache gewesen sein, der vor allem Aussprüche Jesu und Auszüge aus seinen Wanderpredigten enthielt. Zusätzlich verwendeten sowohl Lukas als auch Matthäus unterschiedliche Quellen, die überwiegend mündlich überliefert wurden, das so genannte „Sondergut“. Jeder der Evangelisten hatte also auch eigene Texte, die den anderen nicht vorlagen. Bei Markus finden wir keine Texte über die Geburt und Kindheit Jesu. Also müssen Matthäus und Lukas andere Quellen, „Sondergut“ gehabt haben. Auch im Johannesevangelium, das später verfasst wurde, sind keine Berichte über Geburt und Kindheit Jesu. Dank Lukas und Matthäus und ihre Berichte können wir also Weihnachten als Fest der Geburt Jesu feiern. 

Warum diese Unterschiede? Wer hat recht?

Zunächst bleibt festzuhalten, dass sowohl Lukas als auch Matthäus jeweils etwas anderes über Jesus aussagen wollen, weil sie für unterschiedliche Adressatenkreise geschrieben haben. Lukas war ein Heidenchrist mit griechischer Bildung, der vermutlich schon längere Zeit einer Synagoge nahestand, bevor er den Christusglauben angenommen hat. Er schreibt sein Evangelium für Gemeinden, die zumindest überwiegend aus Heidenchristen bestanden.

Ihm ist wichtig darzustellen, dass Jesus der Heiland ist, der sich besonders um die Armen, Traurigen und sozial Schwachen kümmert. Nicht durch Zufall berichtet er ausführlich von den Hirten, die zur damaligen Zeit gesellschaftlich als einfach und ungebildet galten. Diese Hirten haben zuerst den Messias gefunden und ihn verehrt! Seine Aussage lautet: Jesus ist der Heiland! Er ist für alle geboren! Besonders die Armen dürfen ihre Hoffnung auf ihn setzen.

Matthäus war tief im Judenchristentum verwurzelt. Er erwähnt in seinem Evangelium jüdische Gebräuche, z.B. die Beschneidung Jesu, ohne sie zu erklären, und lässt verschiedene hebräische Wörter unübersetzt. Seine Leser kennen diese Wörter und wissen sie einzuordnen. Bei aller Verwurzelung im Judentum ist die Gemeinde, für die Matthäus schreibt, jedoch weltweit offen. Matthäus erzählt vom Missionsauftrag des auferstandenen Jesus: „Geht zu allen Völkern...tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes...Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Deshalb ist es Matthäus zu Beginn seines Evangeliums wichtig, dass Sterndeuter aus dem Osten mit anderen Gebräuchen, Geschenken und Traditionen zu Jesus kommen und ihn als neugeborenen König verehren. Intelligente, gebildete Menschen, doch keine Juden…. und sie bleiben nicht und bilden eine Gemeinde, sondern sie kehren erfüllt von diesem einschneidenden Erlebnis in ihr Land zurück. Seine Aussage lautet: Jesus ist der Messias, in dem sich die Schrift- und Prophetenworte erfüllen. Er ist für alle geboren! Menschen aus aller Welt sind zu ihm eingeladen und haben Bedeutung für ihn.

Botschaft für uns

Dankbar dürfen wir die beiden Weihnachtserzählungen von Lukas und Matthäus lesen und meditieren. Jede hat ihren Hintergrund und ihre Geschichte. Es geht nicht darum, was in welcher Reihenfolge historisch belegbar stattgefunden hat. Es geht um theologische Aussagen über dieses Kind, das als Sohn Gottes mit dem Auftrag in die Welt gekommen ist, Gottes Liebe sichtbar und erfahrbar zu machen. Deshalb feiern wir Christen Weihnachten: weil Gott Mensch geworden ist, dass wir Menschen gleichzeitig menschlicher und göttlicher werden. Weil dieser Jesus in seinem Leiden, Sterben und Auferstehen alles Leid und alle Schuld auf sich genommen hat, um uns davon zu erlösen und weil er den Tod besiegt hat.

Und so strahlt die Weihnachtsfreude durch unsere Fenster und in unsere Herzen.

Lukas und Matthäus lehren uns: Jesus ist für alle Menschen geboren - also auch für mich.

eine gesegnete ADvents- und Weihnachtszeit Ihnen allen!

Ihre Yvonne Faatz, Gemeindereferentin

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